Liebe Leute,
die Saison ist vorbei, die Mannschaftssitzung auch, es gab große Reden und noch mehr Pläne, es zeigt alles nach vorne. Aber was ist mit der Vergangenheit? War da nicht was? Genau, das war was. Da war das letzte Spiel der 11er. Ein Spiel, das in die Geschichte eingegangen ist. Weil es das letzte Saisonspiel war, weil es 1:1 geendet hatte, weil es ein Symbol für Fairness, Freundschaft und Harmonie war. Berliner Amateure, wir reichen Euch die Hand - um Euch eine reinzuzwiebeln. Dokumentation eines Spezialauftritts:
die Saison ist vorbei, die Mannschaftssitzung auch, es gab große Reden und noch mehr Pläne, es zeigt alles nach vorne. Aber was ist mit der Vergangenheit? War da nicht was? Genau, das war was. Da war das letzte Spiel der 11er. Ein Spiel, das in die Geschichte eingegangen ist. Weil es das letzte Saisonspiel war, weil es 1:1 geendet hatte, weil es ein Symbol für Fairness, Freundschaft und Harmonie war. Berliner Amateure, wir reichen Euch die Hand - um Euch eine reinzuzwiebeln. Dokumentation eines Spezialauftritts:
Die Geschichte mit der Nase, die war eigentlich eine ganz üble Nummer. So im Nachhinein muss das Günter Brockmann klar geworden sein. In der Situation selber konnte er das ja nicht erkennen. Da lag er auf dem Rücken, hilflos wie Effendi bei Jauchs 500-Euro-Frage, unter sich den aufgeheizten Kunstrasen des Stadions an der Zülichauer Straße, über sich die glühende Sonne und neben sich die Spieler des BSC und der Berliner Amateure, von denen nicht wenige im Geist ein ärztliches Bulletin aufstellten: kaputte Hüfte, Bluthochdruck, Kreislaufprobleme. Und jetzt also auch noch ein Hitzschlag. Wasser musste her, viel Wasser. Viel Wasser – äh, nicht: zu viel. Einer schüttete so viel Wasser über Brockmanns Gesicht, dass ein Teil in die Nasenlöcher strömte. Da wurde der Schiedsrichter plötzlich so lebendig wie Hansi beim Anblick einer Body Lotion. Allerdings reichte die Kraft dann doch nur, um auf allen vieren in den Schatten zu kriechen. Und dabei zu japsen: „Ich kann nicht mehr, ich breche ab. Außer ihr findet jemanden, der weiter pfeift.“
Spätestens wenn er wieder an diesen Satz denkt, muss Brockmann klar geworden, sein, dass er mit dem Wasser auch abgestraft wurde. Dass Brockmann nicht mehr konnte, das hatte ja fast jeder in der Pause schon mitbekommen. Da wollte er schon nicht mehr. Es war ja auch eine grandiose Idee, mit einer kaputten Hüfte 14 Kilometer in sengender Hitze mit dem Fahrrad zum Sportplatz zu radeln, um in der gleich sengenden Hitze ein Spiel zu pfeifen. Die Nummer mit dem Fahrrad machte vor allem Sinn, wenn man in der Nacht zuvor bis 4 Uhr in seinem Taxi ohne Klimaanlage gesessen hatte, das dann so heiß und stickig geworden war, dass sich höchstens noch Finnen, die in der Sauna geboren wurden, dort wohl fühlen. Es war also eine Frage der Zeit, bis Brockmann umfallen würde. Und es war eine Frage der Zeit, bis ein Riesenstreit losgehen würde, wie es denn nun weitergeht. Das wussten die Spieler. Deshalb, so durfte sich Brockmann ausrechnen, würden sie sich rächen. Auf subtile Weise. Wasser in den Nasenlöchern ist wirklich hilfreich bei einem Hitzschlag.
Und nun? Wie sollte es weitergehen? Es ging weiter wie bei einem Bolero. Ganz langsam steigert sich die Musik, immer wuchtiger, immer dröhnender, immer aggressiver wird sie. Die Piano-Variante des Bolero verkörperte noch ein junger Mann mit ärmellosem T-Shirt, der am Spielfeldrand stand und behauptete, er sei Schiedsrichter und könne weiter pfeifen. Als größte Qualifikation galten allerdings sein Gesicht und seine Arme, die so bleich waren wie ein Hefeteig. Dieser Typ war auf jeden Fall nicht gerade 14 Kilometer durch die Sonne geradelt. Vermutlich hatte er sich sogar gerade erst aus einer Erdhöhle geschält, wo er die letzten vier Monate zugebracht hatte. So einer würde nicht gleich wegen Hitzschlags zusammenbrechen, das stand schon mal fest. Aber aus irgendwelchen Gründen, die wohl nie mehr zu fassen sein werden, hörte keiner auf ihn. Die letzte Chance, das Spiel friedlich über die Bühne zu bringen, war vertan. Er war der letzte neutrale Mensch auf dem Platz.
Aber jetzt gab’s nur noch wilde Kerle, der BSC auf der einen, die Amateure auf der anderen Seite. Der Bolero nahm Fahrt auf. Erst gab’s ein paar Bemerkungen, die auf der nach oben offenen Beleidigungsskala noch ziemlich weit unten lagen, dann wurde der Ton schärfer. Der BSC wollte weiterspielen, die Amateure nicht. Der BSC brachte Effendi als Schiedsrichter ins Gespräch, die Amateure registrierten, dass Effendi entschieden weniger teigig aussah als der unbekannte Helfer und fürchteten wohl, Effendi würde höchstens bis zur 80. Minute durchhalten. Vermutlich fürchteten sie aber noch mehr, dass sie klar verlieren würden. Damit berührt diese Geschichte ihren Kern, kurzzeitig jedenfalls, später ausführlicher, denn vorerst geht es immer noch um den Kampf der wilden Kerle. Auf der Skala wurden in der verbalen Diskussion jetzt schon Werte erreicht, die einem Kneipengespräch zwischen Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping entsprechen. „Schweinerei“, „Sauerei“, „unfair“, das alles schwirrte durch die flirrende Luft, der Bolero hatte jetzt schon eine Intensität, dass Frederick Hanssen, der sensible Konzert-Kritiker des Tagessspiegel, sich nur noch die Ohren zugehalten hätte. Das Ganze endete mit dem stampfenden Abgang wütender BSC-Spieler. Das Spiel wurde nicht fortgesetzt.
Schade eigentlich. Denn der BSC hatte bis dahin eines seiner offensivsten und stärksten Spiele dieser Saison geliefert. In der zweiten Halbzeit überrollten die Gäste ihren Gegner wie Briten eine Polizeikette auf dem Sturm zum Freibier. Peter Richter im BSC-Tor hätte sich auch unter einen Sonnenschirm legen können, der BSC, angeführt von Manni, machte Druck und Druck und Druck. Ein Angriff folgte dem anderen, eine vergebene Chance der anderen, die Berliner Amateure waren derart eingeschnürt, dass sie am Ende 1:5 untergehen würden, das war klar.
15 Punkte hatten die Berliner Amateure bis dahin gewonnen. Wie sie dazu gekommen sind, das wäre eine 125 000-Euro-Frage bei „Wer wird Millionär?“ wert. A) Die Gegner hatten einen Teil ihrer Spieler aus Versehen auf der Toilette eingesperrt, B) Robert Hoyzer hatte die Spiele geleitet, C) die Gegner hatten vergessen, drei ihrer Spieler in der Toilette einzusperren und mussten dafür auf dem Platz bitter büßen, D) Kurt Beck hatte gedroht, die Amateure zu verstärken, wenn der Erfolg weiter ausbleiben sollte.
Sie hatten das erste Tor geschossen, die Amateure, ok. Eckball, der Ball flog in den Strafraum ein Amateure-Spieler setzte sich mit robustem Körpereinsatz gegen Hartmut durch, Kopfball, Tor. Aber ansonsten besaß die Offensive der Gäste die Gefährlichkeit eines gemütskranken Bernhardiners, Micha, Hansi und Martin spielten einen zuverlässigen defensiven Part. In der Offensive hatte der BSC zwar immer noch Bälle, die aus kurzer Entfernung daneben gingen, aber die guten Aktionen überwogen doch ganz erheblich. Immer wieder über die rechte Seite kamen die Angriffe, das 1:1 durch John war eine Frage der Zeit. Hartmut hatte die Vorarbeit geleistet, John wuchtete den Ball ins Netz.
Erst Hansa, dann die Berliner Amateure, der BSC wird noch zum Schrecken seiner Kontrahenten. Die Auftritte sind Stoff für Visionen. Was erst kann diese Mannschaft leisten, wenn der eine oder andere seinen konditionellen Höhepunkt nicht mehr bloß beim fehlerfreien Schnüren seiner Fußballschuhe erreicht hat? Was für Tore kann sie schießen, wenn der Ball nicht zugespielt wird, als hätte Marty Feldman den Paß gegeben? Wie effektiv kann diese Mannschaft nach vorne spielen, wenn sie im Training übt und nicht bloß auf dem Platz knödelt und den vorbei geschossenen Ball im Gebüsch sucht?
Günter Brockmann ist bereit, diese Mannschaft zu pfeifen. Er hat sein Fahrrad geputzt, er hat eine Klimaanlage einbauen lassen, er hat eine neue Hüfte. Und er hat sich Nasenklammern gekauft.
Frank (B.)
2 Kommentare:
Normalerweise mische ich mich in die Darlegung von Sachverhalten oder deren Recherchen auf unserer Fussballseite grundsätzlich nicht ein, gleichgültig wie zu- oder unzutreffend sie sind..
Hier jedoch ist es leider geboten, und zwar zur Rehabilitation und Ehrenrettung des SR Günter Brockmann:
Der SR, welcher das von Frank geschilderte Spiel bis zur 62. Minute leitete, war nicht besagter G. Brockmann, sondern der uns von einigen früheren Begegnungen her bereits leidvoll bekannte SR Michael Schüle (Borussia Pankow).
Hallo Frank,
wenn Du so gut Fußball spielen könntest wie Du Spielberichte schreibst, wärst du unser Mann für Jogi, und Marcell Jansen könnte den verdienten Heimaturlaub antreten.
Zum Taxi-ohne-Klimaanlage- / Radfahrer- / Hitzschlag-Schiri: Was waren seine drei schwersten Schuljahre? Die zweite Klasse!
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