Der riesige Innenhof der Ostwaldsschule am Immenweg war in gleißendes Licht getaucht. Der lange Anmarschweg hatte dem Körper umfassend Gelegenheit gegeben, an Blessuren und Aus- und Abnutzung zu erinnern. Eigentlich kaum vorstellbar, dass er in 45 Minuten über den Fußballplatz otten soll.
„Der Platzwart kommt später“ meinten die Steglitzer. Wir ließen Kälte und Tristesse des Gefängnishofes hinter uns und verzogen uns in den Eingang einer Sporthalle. Die Halle lag im Tiefgeschoss und wir beobachteten von einer Galerie einige Bengels, die ganz passabel Basketball spielten. Wir, das waren Eljay, Stephan, Andi, Keeper-Karsten, Hertha-Carsten (der Knipser aus Köln), John, Amer, ich und – leicht grau meliert - MARCO! Es war die erste Großtat von Karsten, ihn zu reaktivieren.
In der Kabine (immer noch ohne Schlüssel und ohne Kleiderhaken) dachten wir an Dicki und an alte Zeiten.
Der Kunstrasen schimmerte im Flutlicht wie von einer Eisschicht überzogen, war aber gut bespielbar. Wir begannen etwas steif, und gerieten schnell unter Druck. Die Türken waren wie erwartet ballsicher – aber sie überraschten uns mit überfallartigen Angriffen mit gefährlichen Steilpässen in die Spitze.
Karstens zweite Großtat waren seine langen Abschläge. Sie kamen immer in die Mitte der gegnerische Hälfte in die Nähe unserer Offensivkräfte. Und John, Stephan, Amer und Marko gingen hinein in die Zweikämpfe. Ich glaube es war Amer, der zusammen mit Marko um den ersten langen Abschlag kämpfte. Der Ball prallte zu Marko, der gleich in seiner ersten Aktion den Ball zum 1:0 lochen konnte!
Die Steglitzer antworteten mit überfallartigen Angriffen. Unsere Abwehr stabilisierte sich aber und wir erhielten Konterchancen. So weit so gut. Aber auch Überfälle wollen gelernt sein. Wenn der vorderste Stürmer ein Dribbling verliert oder der Torschuss abgeblockt wird, ist das nicht schlimm, aber wenn an der Mittellinie nicht die freien Mitspieler angespielt werden, sondern ein Dribbling verloren geht oder ein „Torschuss“ abgeblockt wird, dann eröffnete das den Steglitzern beste Chancen zum Gegenkontern. Das passierte in kurzer Zeit dreimal, wobei Karsten keine wirklichen Abwehrchancen hatte. Aus dem 1:0 wurde ein 1:3. Aber wir gaben nicht auf. Eljay sagte schon vor dem Spiel, dass die magische „50“ ihn nicht in Depressionen verfallen lässt und bewies das mit seinem ersten Tor in der zweiten Lebenshälfte: 2:3.
Vor der Pause noch unser schönstes Tor: Big John bekam in der eigenen Hälfte auf der linken Außenbahn den Ball und stürmte los. Bauch raus und Augen runter. Das 2:4 lag in der Luft. Andi und ich riefen uns an der Seitenlinie die Luft aus der Lunge: „Spiel zurück zu Stephan!“ Der lief nämlich hinter John und hätte einen schönen Angriff aufbauen können. Anhalten und zurückspielen ist Johns Sache nicht, aber aus vollem Lauf spielte er den Ball mit der Hacke zurück. Der angespielte Gegner war so verduzt, dass Stephan ihm mit größter Mühe den Ball noch stehlen konnte. Außer bei John war unsere Vorwärtsbewegung damit beendet. Stephan konnte mit dem Ball nur zurücklaufen. Erfolglos Anspielstationen suchend lief er quer durch den eigenen Strafraum bis an die rechte Außenlinie. Erst dort fand er einen freien Mitspieler, der den Ball im Anstoßkreis annehmen konnte. John war während dessen weiter nach vorn gestürmt. In Linksaußenposition erhielt er den Ball und hämmerte ihn ins lange Eck zum 3:3 Pausenstand!
Nach der Pause erhöhten die Türken den Druck. Besondere der Zehner sprintete in unserer Hälfte hin und her. Wir spielten zwangsläufig etwas defensiver. Ich störte den Zehner bereits an der Mittellinie und Eljay oder Andi sicherten hinter mir ab. Nach vorn konnten wir nicht mehr richtig Druck entwickeln aber das Spiel hätte durchaus 3:3 ausgehen können.
Mitte der zweiten Hälfte war ich mit dem Ball an der Mittellinie in einer etwas unübersichtlichen Situation. Mir blieb nur die Flucht nach vorn, die mir auch gelang. Aber kurz vor der Torauslinie wurde ich abgefangen und sofort wurde der lange Zehner an der Mittelinie angespielt. Eljay stand bei ihm. Ob er wusste, dass Eljay 50 ist? Jedenfalls sah er, dass er nicht gedoppelt war und witterte seine Chance. Er sprintete mit Ball nach vorne rechts, Eljay im gleichen Tempo hinterher. Wir warteten vergeblich auf Eljays Grätsche. Eljay sagte hinterher zu recht, dass sie nicht mehr nötig war, weil der Zehner eigentlich schon zu weit nach außen abgedrängt war. Leider gelang diesem aber vom Strafraumeck ein präziser Flachschuss ins lange Eck zum 3:4.
Anschließend drängten wir auf den Ausgleich und erspielten uns noch die eine oder andere Gelegenheit. Aber kurz vor Schluss besiegelte der heute glücklose Amer mit einem unnötigem Dribbling (دحرجة الكرة, سيل, تدفق تدريجي غير ضروري) unsere Niederlage. Ballverlust an der Mittellinie mit anschließenden Konter zum abschließenden 3:5.
Eljays Geburtstagslage förderte die abschließende Spielanalyse: Die Türken haben nicht unverdient gewonnen. Die Gegentore waren allesamt ärgerlich. Unser Spiel war ansonsten ordentlich und hat sogar Spaß gemacht. Kein Vergleich zum 1:7 gegen Cimbria. Mit Dicki hätten wir gewonnen (zumindest wenn Karsten die Elfmeter gehalten hätte).
Hans Sch.
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