21. September 2010

Alla luce del notte* - BSC Ü50-3 vs. Teutonia Spandau 2 (1): 2:0


Kantstraße, Laden COMELECTRONIC, Hinterzimmer, Dienstag Vormittag:
Anwesend: Don Carlucci, Sergio Peppone genannt Bomme, Hans-Dieter Pommerenke genannt Hammer, Matteo Corleone genannt Avvocato, Gianlucci Falcone, der Scout

Es war stickig in dem kleinen Holzgetäfelten Raum. Vier Leute, zwei davon sitzend, hatten sich um den Schreibtisch von Don Carlucci gruppiert. Dem war die Zornesröte mittlerweile aus dem Gesicht gewichen, nachdem er vor einer Viertelstunde seine „Ansprache“ beendet hatte. Aufgeschreckt war Letizia sogar kurz hereingekommen: „Sind Russen da, wollen 20.000 Armbanduhren und die alten Weltempfänger haben, also silenzio, prego!“
Vor zwei Stunden waren die Quoten aus Zagreb, Neapel, Marseille und Belgrad eingetroffen. Schön verschlüsselt über Mail und die größeren Posten über das Telefon. C++ - Standard natürlich, denn in ihrem Digitalisierungswahn hatten das BKA und die LKAs, die alten Abhörgeräte irgendwo verscherbelt. DECT-Standard war jetzt das Maß aller Dinge.
Verluste in fünfstelliger Höhe! Carlucci hatte, wie er es immer getan hatte, mit seinem Bleistift alles akribisch auf einer Werbeseite der GAZETTA DELLO SPORT* zusammengerechnet. Und tobte: „Ihr habt mir gesagt, die Mannschaft wäre am Ende. Ihr habt mir gesagt, die kriegen noch nicht mal die Mannschaft voll. Haben keinen Stammtorwart. Alles Ego-Fußballer habt ihr gesagt. Einzelaktionen, Ballverluste, Kontertore. Die beiden Hungerharken, habt ihr mir eingeflösst, bringen auch nichts mehr. Der eine mit einem Kreuzbandriss malade, der andere mit seinem Stellungsspiel und seinen Außenristaktionen immer ein Unsicherheitsfaktor. Und nu? Ecco, der eine schießt in jedem Spiel sein Tor, der andere hatte gestern eine fast 100prozentige Erfolgsquote.“

Falcone räusperte sich. Wie ein Häufchen Elend saß er in dem NATUZZI-Sessel. Schließlich war er der Scout. Musste Mannschaften finden, bei denen das Ergebnis vorher schon klar war. Gab es Unsicherheiten, halfen Bomme und Hammer nach. Sein NAVIGARE-Hemd war durch. Die ersten Schweißtropfen kleckerten auf das Büffelleder: „Aber Patrone, das konnte doch keiner wissen! Na gut, die ersten beiden Spiele, kein Maßstab. Aber diese Teutonias aus Spandau. Bello, Bello, richtig gute Mannschaft. Wer konnte das ahnen. Sie hatten diesen BSC-Würfelhaufen im Pokal klar geschlagen. Und dann die Chancenverwertung! Gegen Null gehend! Patrone…“

Jetzt reichte es Don Carlucci: „Se tu avessi taciuto, si sarebbe rimasto un filosofo!“* und schlug mit der Faust auf die Eichenplatte. Das Espresso-Tässchen kippte um. Bomme war sofort zur Stelle, nahm das Ensemble „Don, soll ich noch einen machen? Caffè freddo*? Oder einen Cappuccino?“ „Nein, nein, nein!“ und gestikulierte jetzt in der Tradition seiner kampanischen Heimat mit beiden Händen: „ Wo haben die den Torwart her? Wo kommt dieser rechte Verteidiger her, der mit dem Watschelgang und dem Gesicht von Heiner Geißler? War gestern überragend! So können wir alle durchgehen: Die Colina-Imitation Version Dauerläufer. Soll sich doch in die Erste abgesetzt haben. Und der Gentleman-Spieler von der assicurazione*. Spielte wie Gattuso in besten Zeiten. Dann dieser Marko-Marin-Verschnitt, auch mit Colina-Frisur. Legt nach dreißig Sekunden in Netzer-Manier die erste Großchance auf. Und dann dieser Pfälzer!“
Carlucci hatte den Dialekt sofort auf dem Video erkannt, war er doch in den Siebzigern, bereits im „Mittelmanagement“ seiner Organisation tätig, für drei Jahre nach Neustadt an der südlichen Weinstraße abgeordnet gewesen. Sie hatten Millionen Liter von minderwertigen umbrischen und toskanischen Wein mit Pfalzwein gepanscht, bis sie eine wundersame Wandlung zu einem DOC-Wein durchgemacht hatten. Und hatten Milliarden von Lire verdient.
„Nie in den Griff zu kriegen, teilte schon mal aus! Und jetzt sind sie Tabellenführer!“ Don Carluccis Nasenflügel hoben und senkten sich. Kein gutes Zeichen, wie die Vergangenheit gezeigt hatte.

Jetzt war die Stunde des Avvocatos gekommen. In seinem weißen Leinenjacket, gestützt auf einem Gehstock aus Ebenholz, mit einem Löwenkopf aus Messing als Handknauf, saß er neben Falcone - und konnte dessen Angst förmlich riechen:“ Don Carlucci! Signori!“ fing er langatmig an: “Vergangenheit ist Vergangenheit! Lassen sie uns in die Zukunft schauen: Welche Mannschaften kommen für zukünftige Investitionen in Frage?“
Überraschend holte er eine vorgefertigte Liste hervor, die er dem Don überreichte.

Der las:
Bayern München - Kommt noch; nach hinten raus – geringe Einsätze auf Sieg in den nächsten drei Wochen
Köln – erholt, aber noch nicht stabilisiert – s. Bayern
Mainz 05 – überschätzt, gegen die Bayern 25% auf Niederlage
BSC Ü50-1 – klar auf Aufstiegskurs, Ausrutscher nicht ausgeschlossen; Einsätze auf Niederlagen erst ab Dezember, Januar setzen
Dortmund – Wird nicht Meister, spielt aber vorne mit; in den nächsten drei Monaten auf Sieg und Unentschieden
BSC Ü50-2 – kleiner Durchhänger, ansonsten s. Bayern
AC Milano – diese Saison nur geringe Einsätze, gegen Inter höhere auf Niederlage
BSC Ü50-3 – immer zu 2 Dritteln eine Siegchance, Einbruch traditionell gegen Ende der Saison; höhere Investe auf Sieg bis Dezember
wird Renate Künast als Spitzenkanditatin in Berlin antreten?: 10.000 auf ja!
Wird die SPD 26% und mehr bei den Abgeordnetenhauswahlen bekommen?: 10.000 auf nein setzen
Wird Berlusconi in den nächsten zwölf Monaten gestürzt? 25.000 auf nein

„Buonissimo avvocato! Meine Entscheidung: Wir setzen in den nächsten drei Wochen alles auf Niederlagen von Schalke 04! Basta!“


Dicki 21/09/2010


* von oben in Reihenfolge:
-in der helllichten Nacht, in Anlehnung an den Titel des Mafia-Films von Roberto Faenza
- bekannte täglich erscheinende italienische Sportzeitung, wird auf rosa Papier gedruckt
-übersetzt: „Ach hättest Du nur geschwiegen, und Du wärst Philosoph geblieben!“ Antikes Zitat, welches bis heute italienische Redensart ist
-Kalter Kaffee, sehr erfrischend im Glas mit Eiswürfeln und viel Zucker
-Versicherung

1 Kommentar:

Eljay hat gesagt…

Großes Kino, gutes Spiel. Geht aber noch besser.