6. Oktober 2009

Eigentlich sollte es ja eine ganz normale Mannschaftssitzung werden am Mittwochabend. Ein bisschen chaotisch, ein bisschen verrückt und wie üblich mit Ergebnissen, deren Haltbarkeit bis zum Gang zur Theke dauern. Aber diese Sitzung im Nebenraum des BSC-Casino war anders. Diese Sitzung sollte historische Bedeutung erlangen. Mit Streit, logisch. Aber mit allseits akzeptierten Lösungen, mit Ergebnissen, die betoniert sind. Und mit zwei personellen Abgängen. Aber damit musste man rechnen.
Eine Chronologie.

Während einer Verhandlungspause


19.32 Uhr: Maria hat gerade die letzte Bestellung aufgenommen, da kommt’s schon zum ersten Krach. Ebi beantragt, aus Trauer über das SPD-Ergebnis bei der Bundestagswahl die Sitzung mit einer Schweigeminute zu beginnen. Andi Schinke beantragt daraufhin, aus Freude über das SPD-Ergebnis bei der Bundestagswahl zwei Flaschen Champagner zu Lasten der Mannschaftskasse zu bestellen. Sofort bricht eine heftige Diskussion los. Ebi beantragt einen Ergänzungsbeschluss: Er möchte die Versammlung mit der „Internationalen“ beenden. Er sei auch bereit, allein zu singen. Hacky, der wieder zur Mannschaft gestoßen ist („auf Bewährung“, wie er grimmig androhte), beantragt, dass er die „Internationale“ auf der E-Gitarre spielen darf: „Wie Jimi Hendrix in Woodstock die amerikanische Nationalhymne.“ Er bricht sofort auf, um Gitarre und Verstärker zu holen.

19.54 Uhr: Auf Vermittlung von Karsten Nitschke und nach heftigen Wortgefechten beschließt die Versammlung einen Kompromiss: Die II. Altliga des BSC sendet eine Grußbotschaft an die Piratenpartei und unterstützt sie in ihrem weiteren Kampf um die Freiheit im Internet.

19.58 Uhr: Hans R. greift in seine Jackett-Tasche, fischt einen sorgsam zusammengefalteten Zettel hervor, faltet ihn umständlich auf und erklärt dann: „Ich habe hier alle Verfehlungen von Frank Niedenhoff in den vergangenen Wochen aufgelistet. Ich beantrage, diese Liste in seiner Anwesenheit öffentlich vorzutragen und ihn zu verpflichten, als Entschädigung die notierten Forderungen zu erfüllen. Er sitzt drüben an einem Tisch mit Roland Greinke. Der gehört ja eigentlich auch gleich bestraft.“ Die Zuhörer blicken nachdenklich. Dieser Antrag überrascht sie, keiner weiß sofort eine Antwort. Ein paar unschlüssige Kommentare folgen, die aber keine Tendenz erkennen lassen. Schließlich greift Rene nach dem Papier und studiert es. „Also Effendi“, sagt er dann gedehnt, „ich weiß ja nicht. Aber findest Du wirklich, dass Frank Niedenhoff auch dafür verantwortlich ist, dass Hertha gegen den HSV so komische Gegentore erhalten hat. Der hat doch eigentlich gar nichts damit zu tun.“ Aber Hans R. wischt den Einwand schroff weg. „Es geht hier ums Prinzip“, sagt er kurz angebunden. „Im Berliner Fußball herrscht das politische Modell. Da ist jeder herausragende Funktionär für alles verantwortlich.“ Piet nickt, das leuchtet ihm ein.


Hacky ist da

Dicki liest jetzt auch. „Hm“, brummt er, „ich finde Punkt drei ist zu hart. Ich will Frank ja nicht verteidigen, aber man kann ihn doch wirklich nicht dafür verantwortlich machen, dass Dein dritter Fahrgast vorletzte Nacht nur ein mickriges Trinkgeld gegeben hat.“ Aber da ist er bei Hans gerade am richtigen. „Natürlich kann man das“, faucht er, „ich bin mit dem Gast ja nur ins Gespräch gekommen, weil sein Sohn ebenfalls beim BSC Fußball spielt. Da habe ich ihm von unseren Problemen mit Frank Niedenhoff erzählt. Den Frank kenne er, hat der Gast geantwortet, der sorge dafür, dass sein Sohn zu familienfreundlichen Zeiten spielen könne. Danach war er ziemlich still. Der Frank hat die Eltern aufgehetzt, sage ich euch, und gegen mich hat er am meisten gehetzt, weil ich die Briefe geschrieben habe.“ Piet nickt, das leuchtet ihm ein. Inzwischen hat auch Boris den Zettel gelesen. „Ey Hans“, sagt er, „also den Punkt sechs, den mache ich nicht mit. Wir können Frank nicht verpflichten, dass er an vier Trainingsabenden helfen muss, die Tore wegzutragen. Das ist albern.“ Ein hitzige Diskussion beginnt über die Frage, was man von Frank Niedenhoff verlangen kann.


20.58 Uhr: Ebi verlangt, dass Frank öffentlich im Casino die „Internationale“ singen muss. Das gibt den Ausschlag. Die große Mehrzahl hält diese Idee für „rein ideologisch bedingt“ und lehnt generell eine exemplarische Bestrafung von Frank Niedenhoff ab. Der Antrag von Hans wird mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.

21.03 Uhr: Hans kündigt umgehend harte persönliche Konsequenzen an. Als unmittelbare Reaktion auf seine Niederlage weigert er sich, sein Bier auszutrinken. „Das ist doch kindisch“, entfährt er Dicki. Der empörte Hans beantragt sofort, Dicki von der nächsten Weihnachtsfeier auszuschließen. Der Antrag wird bei drei Gegenstimmen abgelehnt. Als Reaktion auf die erneute Niederlage weigert sich Hans, weiterzuatmen.

21.05 Uhr: Da Hans mit hochrotem Kopf vor seinem Bier hockt, verhindert die Versammlung das Schlimmste. Überstürzt wird beschlossen, dass Dicki erst nach dem Essen zur Weihnachtsfeier kommen darf. Hans ist mit dem Kompromiss zufrieden. Dicki ist beleidigt.

21.07 Uhr: Der nächste Tagesordnungspunkt, der Wichtigste. Wann soll die Elfer spielen? Wann die Siebener? Hans plädiert erneut für den Samstagnachmittag als Wunschtermin der Elfer. Am Sonntag sei er im Einsatz. Frank Schimmelpfennig erklärt, am Samstagnachmittag müsse er seine Gitarre stimmen. Aber Samstagvormittag sei ok. Da kann ich nicht, erwidert Boris sofort, da bin ich im Fitnessstudio. Aber Sonntagvormittag, das ist gut für mich. Für uns nicht, entgegnen Eljay und Stefan Benz, da erfinden wir neue Seemannsknoten. Aber Sonntagabend, ist wunderbar. Nee, nee; erklärt Micha Schmidt, da muss ich Tatort kucken Das geht nicht. Die Diskussion gleitet ab, allgemeine Wortbeiträge überlagern die Einzelstimmen, keiner versteht mehr den anderen. Längst haben sich auch Andi Schinke und Dicki wieder eingemischt, der Wunschtermin der Siebener wird jetzt auch debattiert. Aber auch bei der Siebener gibt es keine klare Linie. Dicki lehnt den Montagabend inzwischen ab. Er arbeitet ab November in Brandenburg und spielt im neuen Finanzkonzept des Landes eine tragende Rolle. Brandenburg will seine desolate Kassenlage mit mehr ertappten Parksündern verbessern. Aufgrund seiner Erfolge in Berlin hat Dicki ein großzügiges Angebot erhalten. Und am jedem Montagabend werden in Brandenburg Schwerpunktaktionen gegen Falschparker durchgeführt.

22.45 Uhr: Nach heftigen Debatten und vielen Lösungsvorschlägen, bei den auch versicherungsmathematische Elemente und Vollmond-Phasen eine Rolle spielen, beschließt die Versammlung, von Frank Niedenhoff ultimativ folgende Heimspieltermine verbindlich zu fordern: Die Elfer spielt jeweils in der Nacht zum Mittwoch um 2.31 Uhr, die Siebener jeden Donnerstag um 15.43 Uhr.

22.50 Uhr: Der nächste Tagesordnungspunkt. Wie soll das Training am Mittwoch aussehen? Hans beantragt, das Training mit einem 10 000-Meter-Lauf auf der Leichtathletikanlage zu beginnen. Jeden, den er dabei überhole, werde von anschließenden Training ausgeschlossen. Das stärke die Disziplin. Der Antrag wird einstimmig abgelehnt. Hans weigert sich umgehend, auf die Toilette zu gehen, obwohl das dringend nötig wäre. Um ihn zu besänftigen wird beschlossen, dass Dicki erst nach Mitternacht zur Weihnachtsfeier kommen darf. Hans lenkt ein und verschwindet. Hartmut fordert, dass nicht trainiert, sondern sofort gespielt wird. Mit knapper Mehrheit abgelehnt. Rene fordert, dass nur trainiert wird. Ebenfalls abgelehnt. Karsten Nitschke fordert, dass bis 20.50 Uhr Torwarttraining mit ihm gemacht werde. Ab 20.50 Uhr sei dann Piet ran. Abgelehnt. Frank Schimmelpfennig fordert, dass mehrere Rugbyspieler integriert werden, um von ihnen möglichst heimtückische und unauffällige Fouls zu lernen. Das verbessere die Zweikampfstärke. Abgelehnt. Klaus Schmid fordert neue Trainingsmethoden. Sonst werde es zu langweilig. Die Stimmen schwirren wild durcheinander, eine Lösung ist nicht in Sicht. Der allgemeine Ton wird immer aggressiver. Hans R. fordert, dass nach jedem Training per Abstimmung die fünf schlechtesten Spieler gewählt werden. Die müssten dann auf der Leichtathletikanlage einen 5000-Meter-Lauf machen. Er laufe mit, und jeder, den er überhole, müsse den weiteren Abend vor Mineralwasser verbringen. Abgelehnt. Hans kündigt sofort seinen Auftritt aus dem Verein an und kündigt die Gründung einer neuen Laufgruppe an. „Wer mitmachen will, kann sich mir jetzt anschließen“, erklärt er. Maria, die gerade bedient, geht sofort mit. Carsten Duckwitz ist beleidigt. Er weigert sich umgehend, selber zu bedienen.

1.46 Uhr: Nach vielen heftigen Diskussionen wird folgender Kompromiss gefunden: Das Training beginnt mit einem Dauerlauf von der Kabine zum BSC-Casino. Im Casino zeigt Carsten Duckwitz einen 30minütigen Ausschnitt von „Rambo 2“. Dann leitet John vor der Kurt-Weiß-Halle eine zehnminütige Gymnastikeinheit. Die Rasenfläche bis zum Kunstrasenplatz wird mit Sackhüpfen überquert. Auf dem Platz üben die Torhüter 30 Minuten lang Abschläge, die Feldspieler 30 Minuten lang mit Medizinbällen Einwürfe, Frank Schimmelpfennig übt an Ebi Fouls. Nach 30 Minuten darf jeder Fußbälle suchen, die Manni im Gebüsch versteckt hat. Die vier Spieler, die am längsten suchen, müssen am Ende die Tore abbauen. Dann wird zehn Minuten gespielt. Der Verlierer ist verpflichtet, Frank Niedenhoff in seine Mannschaft aufzunehmen. Das Training endet mit einem Vortrag von Dicki über die jeweils neuesten Änderungen im Gesetz über die Anwendungen von Rasenmähern am Wochenende. In der Kabine knieen alle nieder zum stummen Gebet. Im Sommer wird im Mittelkreis gebetet.


1.50 Uhr: Hacky taucht auf. Er wuchtet seinen Verstärker in den Versammlungsraum und schließt seine Gitarre an. Doch noch vor dem ersten Riff der „Internationalen“ wird beschlossen, dass Hacky nicht spielen darf. Um die Atmosphäre zu entspannen, wird stattdessen Ebi gestattet, dass er an einem abgeschiedenen Ort singen darf. Hacky ist tödlich beleidigt und schließt sich umgehend der Laufgruppe von Hans R. an.

1.55 Uhr: Hans R. hat sich aus Protest gegen seine Demütigungen in der Toilette des Casino eingeschlossen. Maria ist in der Nacht verschwunden. Plötzlich hört Hans R. Geräusche. Aus der nebenstehenden Kabine singt ein voluminöser Bass schaurig-laut: „Völker, hört die Signale...“


Frank B.

1 Kommentar:

Dicki hat gesagt…

Das ist unglaublich Frank!
Du solltest als Protokollant ein Verlaufs- oder Ergebnisprotokoll abliefern. Was dabei rausgekommen ist, ist ein Konglomerat an tendentiösen Bewertungen und psychologisierenden Halbwahrheiten.
Du unterschlägst hierbei konstruktive Anträge wie auch Debattenbeiträge mit Jahrhundertcharakter!

Wie Du die Position und Rolle von meinem Freund Effendi darstellst, kann z.B. nicht unwidersprochen bleiben. In seiner sehr interessanten Rede hat er lückenlos seine Bemühungen dargelegt. Telefonat für Telefonat, Mail für Mail. Das hast Du unterschlagen. Genauso, dass Hacky im Namen der Mannschaft Effendi dafür dankte, was mit einem bis zu Roland und Frank am Tresen hörbaren Klopfen quittiert wurde.
Sicher, nicht jeder Vorschlag musste aufgeführt werden, das John auf der Weihnachtsfeier "Ich war noch niemals in New York" hören will, Micha Schm. einen Workshop über die Meldeordnung incl. der neuesten Ausfüllvorschriften bezahlt haben wollte, Hacky einen Festbeauftragten einführen wollte und er "...auch schon jemanden kennt, der das machen würde..." usw. usf.

Aber ein paar Worte über den Auftritt von Frank N. und meinem Freund Roland -Boris hatte sie mit den Worten "Die kaufe ich mir jetzt wie damals Helmut Ruholl" in den Raum gebeten. Sie entschuldigten sich für Missverständnisse, und alles soll ja besser werden. Mir ging es durch und durch, als Roland mit tränenerstickter Stimme ausrief: "Ich liebe euch doch alle!"
Ich bin auch nicht beleidigt lieber Frank. Diese NudelsalatRoteGrützeEbisSchweinebratenundwasweißich-Orgien stehen mir bis hier hin (kannst Du gerade nicht sehen). Maria hat mir zugesagt, um Mitternacht einen mediteranen Salat mit Filetstücken der Südseebrasse anzumachen. Ätsch!!
Die Position von Ebi hast Du nicht verstanden. Nun gut, auch ich habe nach all den Jahren Schwierigkeiten jede strategische Wende Ebis nachzuvollziehen. Aber eins weiß ich: Er ist ein großer Freund der Sozialdemokratie! Weil sie die Partei des SOWOHL-ALS-AUCH ist. Ebi auch: Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afganistan-dient der Sicherheit der Sowjetunion; Intervention der NATO dort-verbrecherischer völkerrechtwidriger Überfall usw. Auf SPD-Parteitagen wird übrigens "Brüder zur Sonne zur Freiheit" gesungen. Aber das Wahlergebnis ist selbst an Ebi nicht spurlos vorbeigegangen.