1. Mai 2010

BSC 11er vs. Union 06 - 5:2 ( Post 499)

Landeskriminalamt Berlin, Platz an der Luftbrücke. Zweiter Stock, ein nüchterner Konferenzraum. An der Tür begrüßt Dr. Walter Köhler, Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität, mit ernstem Gesicht drei Männer. Peter Fröhlich, Referatsleiter Wett- und Spielbetrug, ein hoher Funktionär des Berliner Fußballverbands, der aus Gründen des Personenschutzes nur Günter Müller genannt wird, und Anton Maier, Schiedsrichter in der 2. Altliga, Ü 40 (auch Maier ist ein Pseudonym), begrüßen Köhler mit festem Händedruck.

Die vier setzen sich an einen Konferenztisch, Müller und Maier breiten Papier vor sich aus, darunter auch Kopien eines Spielberichtsbogens. „Meine Herren“, beginnt Köhler, „lassen Sie uns gleich zur Sache kommen. Herr Müller, Sie haben uns alarmiert, bitte schildern Sie die Lage.“

Günter Müller räuspert sich, dann beginnt er, seine Fingerspitzen umkreisen das dünne Papier des Spielberichtsbogens. „Meine Herren, wie Sie wissen hat uns der Wettskandal Hoyzer sensibilisiert. In Kenntnis dessen haben wir ein Frühwarnsystem eingerichtet, das anschlägt, wenn es zu ungewöhnlichen Ergebnissen oder Spielverläufen kommt. Und am Mittwochabend“, sagt er und macht eine kunstvolle Pause, „hat es angeschlagen. Aber ich muss ein wenig zurückgreifen. Am vergangenen Sonntag bereits hat die zweite Altliga-Mannschaft des BSC gegen Friedenau 8:1 gewonnen.“ Er blickt hoch, um zu erkennen, ob jeder sofort die Brisanz seiner Worte erkannt hat. Offenbar nicht. Köhler und Fröhlich blicken gespannt, haben aber erkennbar nicht begriffen. „Nun“, fährt Müller fort, „ein 8:1, das gleicht einem Erdbeben. Das gibt es einfach nicht. Der BSC hatte in den Spielen zuvor durchaus acht Tore erlebt, allerdings auf seiner Seite. 1:8 hat die Mannschaft zum Beispiel gegen Hansa 07 verloren, eine Woche zuvor.“

„Das 8:1 ist also ungewöhnlich“, wirft Köhler ein.

„Das ist nicht bloß ungewöhnlich“, erwidert Müller, „das ist so, als würde Hertha BSC im Camp Nuo den FC Barcelona 7:0 besiegen, und zwar durch sieben Tore von Artur Wichniarek.“

„Verstehe“, sagt Köhler knapp. Fröhlich pfeift leicht durch die Zähne.

„Schon da haben wir erste Warnsignale unseres Frühwarnsystems erhalten“, sagt Müller, „sie bedeuten, dass wir die Mannschaft im Auge behalten sollen. Ein Anfangsverdacht, quasi. Also haben wir die Partie geprüft. Es stellte sich heraus, dass Friedenau nur mit zehn Spieler angetreten war, menschlich nicht harmonierte und dass so ein Dicker beim BSC, den Namen weiß ich jetzt nicht, wirklich gut gespielt hat. So was soll ja mal vorkommen. Eine Eintagsfliege, ein Jahrhundertereignis für ihn offenbar.“

Müller macht eine Pause, um die Spannung zu erhöhen. Denn jetzt kommt er zum zentralen Punkt.

„Nun also der Mittwochabend. Der BSC spielt gegen Union 06, und er gewinnt, Achtung: 5:2. Und das, meine Herrn, riecht nach Betrug. Nach Wettbetrug.“

Nachdem er das entscheidende Wort ausgesprochen hat, lehnt er sich zurück, um die Reaktionen der Zuhörer zu beobachten. Aber er sieht nur gespannte Gesichter. Noch ist vor allem Köhler und Fröhlich nicht klar, wo genau der Betrug liegen könnte.

Also fährt Müller fort, diesmal erheblich energischer. „Man muss dazu wissen, dass Union 06 von der Spielstärker her zwei Klassen höher eingestuft ist. Die Mannschaft spielt nur deshalb ganz unten, weil der Präsident von Union 06 zu dusselig war, die Mannschaft rechtzeitig für die höhere Klasse anzumelden. Eine Mannschaft wie Union 06 verliert nicht 2:5 gegen eine Schlappfuß-Ansammlung vom BSC. Union trat zwar auch nur mit zehn Mann an, aber selbst mit neun Mann hätte das Team klar gewinnen müssen. Außer“ - Pause – „Es wurde manipuliert.“

Er lässt die Worte wirken. Jetzt haben die Zuhörer begriffen. Köhler presst die Lippen zusammen.

Müller referiert weiter: „Durch den Hoyzer-Skandal hat sich wie bekannt ein paralleler Wettmarkt eingerichtet. Die Profis weichen jetzt auf Jugend- und Seniorenligen aus, weil die nicht anscheinend nicht überprüft werden. Natürlich werden diese Spiele nicht in den offiziellen Wettbüros angeboten, dafür gibt es einen illegalen Mark mit illegalen Vertriebsnetzen. Auch die Einsätze nicht ganz so hoch, aber wer clever setzt und gut manipuliert, der verdient genügend Geld.“

Wieder macht Müller eine Pause, diesmal allerdings, um einen Schluck Wasser zu trinken.

Dann fährt er fort: „Um zu überprüfen, ob Manipulation stattgefunden hat, habe ich den Sportfreund Maier mitgebracht. Der Sportfreund Maier hat das Spiel gepfiffen, er kann erzählen, ob ihm Ungereimtheiten aufgefallen sind.“

Er will gerade das Wort an Maier weitergeben, da beugt sich Köhler vor: „Herr Müller, eine Frage: Haben Sie konkrete Hinweise über das Ergebnis hinaus, das ihren Verdacht stärkt?“

Auf diese Frage hat Müller nur gewartet. Triumphierend breitet er die Arme aus. „Jawohl“, sagt er energisch. „Im Rahmen unserer zeitweiligen Überwachung des Cafe King in der Rankestraßé, wo der Hoyzer-Skandal organisiert wurde, ist vor einigen Tagen ein Mann gesehen worden, der verdammte Ähnlichkeit mit dem Torhüter des BSC hatte. Moment, ich schaue mal nach dem Namen: Jawohl, Richter, Peter Richter. Soll schon öfter Fußballwetten plaztiert haben.“

„Verstehe“, sagt Köhler. „Bitte, Herr Maier, ihr Bericht.“

Maier ist erkennbar nervös, er spielt mit den Ecken des Spielberichtsbogens. „Na ja, es sind viele Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind. Das erste war schon mal, dass die BSC-Spieler vor dem Anpfiff in der Kabine bester Laune waren. Ich habe schon viele Spieler des BSC gepfiffen, da war es sonst immer anders. Das erste war immer, dass sie einem Älteren, mit so einem grauen Bart, erstmal verboten haben, dass er neben dem Spielfeld auch nur einen Ton sagt. Ansonsten würden sie ihn zu einem Bibelseminar bei Bischof Mixa anmelden. Und auch sonst ging’s immer bloß darum, die Niederlage in Grenzen zu halten. Aber diesmal, gar nichts. Nicht mal der Grauhaarige wurde angequatscht. Und dann habe ich in einem Strafraum einen Streifen entdeckt, der sich gelöst hatte. Den habe ich wieder ankleben lassen.“

Naja“ unterbricht ihn Köhler etwas unwirsch, „das sind ja nun noch nicht unbedingt Hinweise auf eine Manipulation. Sonst etwas? Haben die Spieler beider Mannschaften sich unerwartet gut verstanden, haben die Unioner die Gegentore zugelassen, hatte ihr Torwart besonders blöd reagiert?“

Maier kratzt sich am Hinterkopf. „Hm, gut verstanden. Naja, nicht immer. Also es gab mal ein Foul, von dem Dicken, der hat auch wieder gespielt. Plötzlich lag neben dem ein Spieler auf dem Boden.“

Und“, fragt Köhler ungeduldig, „hatte der simuliert?“

Müller greift zu einem weißen Bogen Papier und räuspert sich. „Ich habe hier die Diagnose des Krankenhauses. Jochbeinbruch, leichte Gehirnerschütterung, Prellung im oberen Rippen- bereich, Platzwunde überm rechten Auge. Ich weiß nicht so recht. Ich glaube, so richtig simuliert hat er nicht.“

„Kann natürlich auch eine perfide Form der Ablenkung gewesen sein“, wirft Fröhlich ein.

„Gut“, sagt Köhler zu Maier, „fahren Sie fort. Wie fielen die Tore?“

„Ziemlich schöne Tore, das macht einen ja so stutzig. Da war so ein dünner, schlaksiger, der hatte wirklich gut gespielt. Moment, ich schau mal, wie der heißt. Ja, hier, Benz, Stephan Benz. Hat wirklich schöne Tore geschossen.“

„Schon mal aufgefallen im Referat?“, fragt Köhler in Richtung Fröhlich. Der schüttelt den kopf.

„Im Mittelfeld haben die ganz gut kombiniert. Da war so ein Langer, den haben sie Volkmar gerufen, der hat ganz gut gespielt, hat die Bälle gehalten und gut abgegeben“, sagt Maier. „Und auf der linken Außenposition, das war so dünner Schneller, der hat auch gut gespielt. Und einer mit blonden Stachelhaaren, der hatte einige Chancen. Hatte nicht getroffen, hat aber gut gespielt.“

„Hm“, sagt Köhler sinnierend, „ganz schön kompliziert. Aber besondere Auffälligkeiten?“

„Schildern Sie mal die Elfmeter“, sagt Müller mit aufmunterndem Nicken zu Maier.

„Ja, die Elfmeter“, sagt der Schiedsrichter. „Also, es gab zwei. Das war die größte Auffälligkeit. Den ersten Elfmeter hatte ein Verteidiger des BSC verursacht, eine selten dämliche Aktion. Der hatte mit der Hand geklärt, weil er wohl dachte, er sei außerhalb des Strafraums. War er aber nicht. Also habe ich gepfiffen, zum großen Schrecken wohl von Union. Wenn da wirklich manipuliert worden sein sollte, dann hatten die ja jetzt ein Problem durch den Pfiff. Elfmeter, das war nicht vorgesehen. Also, Pfiff, Ausführung.“

Müller kreuzt die Arme vor der Brust und sagt erwartungsvoll zu den LKA-Beamten: „Und was glauben Sie, was jetzt passiert? Was glauben Sie, was Peter Richter gemacht hat. Der Richter, der auf der Linie zwar nicht schlecht ist, aber ansonsten so schnell wie ein Schäferhund, dem sie Baldrian ins Futter schütten? Na?“

„Na?“, fragen Köhler und Fröhlich zurück.

„Er hat gehalten“, sagt Müller triumphierend. „Peter Richter, der in seinem Leben noch nie einen Elfmeter gehalten hat, der hält mit einer glänzenden Parade. Natürlich hatte der Unioner nicht platziert geschossen, aber egal. Eigentlich wird Oskar Lafontaine eher Ehrenvorsitzender der CDU als dass Peter Richter einen Strafstoß hält.“

Köhler und Fröhlich nicken versonnen. Die Verdachtsmomente nehmen zu.

„Und dann der zweite Elfmeter. Da stand es 4:2 für den BSC. Ich habe gepfiffen, der Unioner läuft an, und…..“

„Und?“, fragen Köhler und Fröhlich weit vorgebeugt.

„Er schießt drüber. In den Himmel. Ein Spieler von Union, der normalerweise zwei Klassen höher spielen müsste, schießt drüber“ Maier lehnt sich zurück. Er genießt den Moment, es ist jetzt seine Show.

„Und dann“, fährt er nach einer Pause fort, „schießt der BSC noch ein Tor. Ein wunderschönes, eigentlich zu schön für den BSC. So gut hat der seit Jahren nicht mehr gespielt.“

„Hm, jetzt müssen wir die Wettquoten für einen Sieg des BSC herausfinden“, sagt Köhler zu seinem Referatsleiter. „Ist nicht einfach, weil es ja ein illegaler Markt ist. Unser Mann im Cafe King muss da mal ran.“

„Und wie geht’s jetzt weiter? Der BSC spielt jetzt gegen die Franziskaner. Was sollen wir da machen?“, fragt Müller

„Meine Herren“, sagt Köhler und lehnt sich aufgerichtet langsam in seinen Stuhl zurück. „Das ist ein schwerwiegendes Problem. Es handelt sich beim BSC offenbar um eine ganz abgebrühte Truppe. Die lässt sich so schnell nicht überführen. Wir müssen das Spiel gegen die Franziskaner genau beobachten. Der Schiedsrichter wird instruiert. Fröhlich, erkunden Sie mal das Gelände rum um den Platz. Gibt’s dort Gebüsch? Oder hohe Bäume, in denen man einen Deckungstrupp mit Videokameras platzieren kann?“

„Vorsicht“, sagt da Maier. „Bei hohen Bäumen Vorsicht. Ich hatte mal ein Spiel gepfiffen, da hatte der Blonde, der mit den Stoppelhaaren, den Ball bis in eine Baumkrone geschossen. Habe ihn ewig nicht mehr runterbekommen, den Ball. Damals dachte ich, das sei Zufall gewesen oder Unvermögen, was halt so passiert beim BSC. Aber jetzt bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht läuft das mit dem Betrug schon länger. Vielleicht hatten die damals schon den Verdacht, dass sie aus den Bäumen heraus beobachtet werden.“

„Das ist ja eine ganz gefährliche Bande“, sagt Köhler. „Herr Fröhlich“, sagt er zu dem Referatsleiter. „Fordern Sie getarnte Fernspäher der Bundeswehr für das Spiel an. Die sollen manövermäßig das Spiel überwachen. Und wir, meine Herren, positionieren uns am Spieltag an der Quelle des mutmaßlichen Betrugs. Getarnt. Ich komme als Bayern-München-Fan. Und um zu sehen, wie die Quoten sind, setzte ich auf einen 4:1-Sieg des BSC. Handicap-Wette. Das letzte Tor in der 90. Minute, Fallrückzieher von dem Dicken.“

Dann drückt er sich mit beiden Handflächen von der Tischplatte ab, blickt noch mal prüfend in die Runde und sagt: „Wir sehen uns im Cafe King.“

Die Mission Hoyzer II, Deckname: „Die Feder“, ist angelaufen.


Frank B.

1 Kommentar:

Axel hat gesagt…

Schockierender Bericht, sensationelle Aufdeckungen. Da scheinen ja Grundfesten unserer Gesellschaftsordnung erschüttert zu werden! Binnen drei Tagen sechs Punkte, 13 Tore, Pete hält Elfmeter …
Das LKA muss dringend Tornado-Aufklärer, MI5, CIA und Securitate zur Unterstützung anfordern!