Mittwoch, 5. Juli: Hans hat sich intensiv auf diesen Tag vorbereitet und mehrere Fachbücher durchgearbeitet: „Wie gegen welche Taktik?“, „Pressing“, „Taktik großer Mannschaften“, „Hohe Schule der Offensive“, „Ausbildung von Kampfschwimmern“.
19.25 Uhr: Die Mannschaft ist vollständig in der Kabine versammelt, mit bemüht ironischen Bemerkungen wird die angespannte Atmosphäre etwas aufgelockert. Eine gewisse Nervosität ist aber unverkennbar. Hansi cremt sich ein.
19.30 Uhr: Auf dem Gang dröhnt eine bellende Stimme: „ 2. Ü40, umgezogen antreten!“ Die ganze Mannschaft hastet auf den Gang und stellt sich mit dem Rücken zur Wand. Da Hansi („Musste noch die Creme verschmieren“) als Letzter raus kommt, muss er wieder in die Kabine. Auf Anruf muss er erneut raus, aber diesmal im Laufschritt.
19.32 Uhr: Hans schreitet mit finsterem Gesicht die Front ab. Dann verkündet er den Trainingsauftakt: sechs Runden Laufen um den gesamten Platz. Da John wiederholt trotz eindringlicher Ermahnung ironische Sprüche macht, muss er eine Schweinekopf-Plastikmaske aus dem Fasching aufs Gesicht ziehen und ganz am Ende laufen. Die Maske, sagt Hans zur Erklärung, stelle die Berliner Version des chinesischen Schandhuts dar.
19.34 Uhr: Hans läuft neben der Gruppe und befiehlt ein Lied. Die ganze Mannschaft singt die „Blauen Dragoner“. Aus ästhetischen Gründen wird der Versuch nach 200 Metern abgebrochen. Nach zwei Runden denkt John, er müsse sterben, nach vier Runden hofft er es. Die letzten 50 Meter werden gerobbt.
20. 10 Uhr: John darf die Maske absetzen, die Mannschaft verteilt sich zur Gymnastik auf dem Kunstrasenplatz. Schimmi und Axel beklagen Zerrungen und eine ausgekugelte Schulter. Da Hartmut und Andi Schinke nicht vollen Einsatz gezeigt haben, müssen sie als disziplinarische Maßnahme Schimmi und Axel huckepack in die Kabine tragen.
20.30 Uhr: Torschussübungen. Jeder muss dreimal von der Strafraumlinie schießen. Piet versucht zu halten. Nach jedem Schuss, den er abwehrt, muss die ganze Mannschaft zehn Liegestützen machen. Wer nicht mal das Tor trifft, hat den Platz mit Hochstrecksprüngen zu durchqueren. Gottfried trifft dreimal das Tor nicht und wird daraufhin von Hans am linken Pfosten mit zwei Lederriemen festgeschnallt. Er hatte im Buch „Episoden aus 30 Jahren Bundesliga“ gelesen, dass der frühere Hertha-Trainer Uwe Klimaschefski so etwas mal als Strafmaßnahme eingeführt hatte. „Guter Mann“, brummte Hans bei der Lektüre, „übernehm’ ich.“. Jeder soll nun auf Gottfried schießen, wer trifft, der darf Pause machen. Der Angeklagte protestiert allerdings so laut und droht so eindringlich mit dem Singen aller abrufbaren Lieder, dass Hans die Strafe mildert. Gottfried muss bis zum nächsten Training einen 16seitigen Aufsatz schreiben: „Warum ich konzentriert aufs Tor schießen soll.“
20.50 Uhr: Endlich wird gespielt. Hans teilt zwei Mannschaften ein. Die eine erhält die roten Bleiwesten, die andere die grünen. Die Verlierer müssen die Tore ums Stadion tragen. Auf einer Liste notiert Hans grimmig die Fehler jedes Spielers. Die drei Schlechtesten in der Gesamtwertung werden später „individuell bestraft“. Alleiniges Leistungskriterium ist seine Meinung.
21.15 Uhr: Trainingsende. In der Kabine zählt Hans die drei schlechtesten Spieler auf und verkündet das Strafmaß. John muss am nächsten Tag unter Aufsicht des Platzwarts die Toilette putzen, Micha zu Hause die Leibchen von Hand waschen und Hansi seine zwölf Dosen mit Körpercreme abgeben. Sie werden bei ebay versteigert. Vom Erlös kauft sich Hans das Buch „Türkisch für Kampfsportler“.
Frank B.
2 Kommentare:
Lieber Frank !
Mit diesem Beitrag hast Du Dich auf Lebenszeit in den Olymp der Sportberichterstattung geschrieben; einfach köstlichst ! Und dabei ist das noch stark untertrieben...
Gut, dass nun auch der letzte unserer Ballquäler kapiert haben dürfte, wohin der Kurs der bisherigen Ü40 steuert.
Als kleinen Vorgeschmack auf das sich im Laufe der Saison klimaxartig steigernde Training ist Dein Bericht hochwillkommen, wenngleich er natürlich nur facettenartig das zu Erwartende schildert...
Ebensogut, dass offensichtlich niemand unser beider vorjahressitzungsmässige Absprachen mitbekommen hat, auf der wir ja vereinbart hatten, dass sich auf jeden Fall einer von uns beiden das Amt des Cheftrainers krallen sollte, um endlich mal wieder den erforderlichen Zug in die Truppe zu kriegen. Das ich das nun geworden bin (allerdings entgegen Deiner Schilderung - und hier liegt deren einziger Fehler - NICHT einstimmig, sondern mit 18:3 Stimmen, was einem Prozentsatz von in Anbetracht zu dem anvisierten Ziel des sofortigen und unbedingten Aufstiegs mindestens in die nächsthöhere Liga vergleichsweise kümmerlichen 86 Prozent Zustimmung entspricht (ich habe mir im übrigen genau angesehen, wer gegen uns war !)), ist dabei eher nebensächlich. Denn Du wärest das Ganze mindestens ebenso souverän angegangen wie meiner Einer, und ausserdem hatten wir ja eh' verabredet, uns alle zwei Tage nach unserem gemeinsamen Programm in der Jungfernheide jeweils die aktuellen Foltermethoden für unsere Gefangenen auszudenken. - Mehr dazu soll aber hier und jetzt noch nicht verraten werden.
Was im übrigen gerade noch bis zum Meldeschluss am 14.06.2008 für die neue Saison hingehauen hat, hatte ich Dir ja am Sonntag schon am Telefon mitgeteilt: Der Spielbereichsleiter beim BFV, Carsten Voss, hat meine Ummeldung unserer Mannschaft von der Altersklasse Ü40 in die Altersklasse der Senioren ohne zu murren akzeptiert; es schien mir fast, als hätte er mit etwas ähnlichem gerechnet...
Da wächst was ganz ganz Grosses heran !
Vielen Dank nochmal für Deine hingebungsvolle Hingabe und Deine unbedingte Loyalität !
(Ach ja; Hansi hat sich übrigens zum Mitsteigern für seine bei eBay eingestellten Körperpflegeprodukte gestern einen funkelnagelneuen Rechner gekauft !)
Die Gerüchteküche brodelt! Was wird uns Effendi bringen? Mit Sicherheit mehr Kenntnis der Fußballhistorie. Man denke nur an seine Quizfragen vor ein paar Jahren, z.B. nach dem Namen des Linienrichters eines Halbfinalspiels der WM 1990. Wir werden wieder auswendig lernen müssen. Wahrscheinlich auch neue Techniken: Ballannahmen mit der Außenseite, 40 Meter-Diagonal-Pässe. Dem Vernehmen nach, hat Effendi über Hartmut und Renè einen Kontakt zu Wolfgang Overath aufgebaut.
Ich habe den zwanzig seitigen "Infobrief" noch nicht abschließend durchgearbeitet, aber stutzig hat mich die Aufforderung nach dem "...freihalten von zwei Wochen Ende Juli..." und "...Kauf eines wasserfesten Rucksacks..." unter der Rubrik TEAMBUILDING gemacht. Will er alà Klopp mit uns eine Kanutour in Nordschweden machen, incl. Würmer essen usw.
Klar ist, dass ein Paradigmenwechsel ansteht. Wo Manni mit der ihm eignen Nonchalance über Mißlichkeiten, wie die ständigen Zuspätkommer (pfui!) hinwegblickte, wird jetzt Schluß sein, mit lustig.
Der König ist tod, es lebe der König!
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