26. November 2006

„Wir leben in einer soo großen Stadt…“ Steglitz GB vs. BSC 2:2

„Warum hat der 14er gesagt, wir klauen?“ wurde der BSC-4er gleich nach dem Verlassen des Feldes von den beiden 12 Jährigen gefragt. Er war perplex, war mental auch noch bei der eben erlebten Tumulten, auch froh nicht vom Platz gestellt, und nicht verprügelt worden zu sein. Er hatte den Steglitz-7er rüde gefoult, ein taktisches Revanchefoul für den durch den 7er unfair herausgeholten Elfmeter, der das 1:1 bedeutete. Das 0:1 hatte Stephan im zweiten Versuch geköpft. Eljay sagte später zum 4er „…das haben wir nicht nötig, sollten wir nicht tun!“

Menschen, die Eljay nicht kennen, würden denken, dass das eine normale Meinungsäußerung ist. Dem 4er war aber sofort klar, als Eljay dies mit seiner markanten, leicht zerknitterten, immer mit der Miene des großen Stoikers mitteilte, die größte Form seiner Missbilligung darstellt. Der 4er gab Eljay sofort recht, dachte insgeheim aber an Edith Piafs größten Hit „
Non, je regrette rien“. Währenddessen war das 1:2 durch ein Eigentor gefallen.

Es war eben ein sehr kämpferisch orientiertes, mit z.T. starken Emotionen behaftestes Spiel. Um jeden Ball wurde bis zur Grundlinie des Gegners gekämpft, jeder Ballführende wurde sofort gestellt und musste in Sekundenbruchteilen entscheiden, was er mit dem Ball macht. Und dabei wurde auch noch Fußball gespielt. Beide Teams mit flachen, kurzen Pässen, oftmals ONE-TOUCH-Fußball vom Feinsten. Die BSCer mussten ungefähr die dreimal multiplizierte Meterzahl zurücklegen, als im letzten Spiel gegen den Tabellenletzten. Stephan und Marco vorneweg. Und das gegen den Tabellenelften!

Der BSC-Coach hatte ein Nachlassen der Kräfte bei den nicht gerade athletisch aussehenden türkischstämmigen Steglitzern vorausgesagt. Nach Studium des Torverhälnisses, sollten sie auch eine schwache Abwehr haben. Wie kann man sich täuschen!

In der zweiten Halbzeit kämpften sie wie die Löwen, und das hatte mit den beiden kleinen Jungen am Spielfeldrand zutun:
Sie waren vom BSC-14er gebeten worden, nicht so nah an die Wertsachentasche zugehen. Auf die Frage warum nicht, hatte er wahrheitsgemäß geantwortet, dass der Platzwart uns eindringlich auf Diebstahlsserien der letzten Zeit hingewiesen hatte. Hängengeblieben war aber: „Wir klauen!“. Als sie in der Halbzeitpause ihren Vätern, Mitglieder unseres Gegners vorjammerten, wie sie eingeschätzt wurden, kam es noch einmal zu Rudelbildung, hitzigen Wortgefechten und Beschwichtigungsversuchen. Insbesondere als eine Umdeutung stattfand, eine Frontstellung Deutsche vs. Türken auf die Tagesordnung kam. Als wenn wir Altglienicke wären!

Und dann griff Stephan B. ein:
Stephan, in der Sozialbranche arbeitend, also Teilnehmer zahlreicher Supervisionen und Kommunikationsseminare, schaute sich die Vorgänge eine Zeitlang an (Lagebeurteilung), ging dann auf den Wortführer zu, legte seine rechte Hand auf die linke Schulter (Beziehung aufbauen) und sagte drei Sätze:“Duu,…wir leben in einer soo großen Stadt,….. da leben sooo viele Menschen, wissen wir daa, was da jeder macht?“
Er führte den Wortführer dabei Richtung Mittelkreis, die Situation war deeskaliert. Allerdings war das Gesamtergebnis ein Motivationsprogramm für Steglitz GB.

Auf dem relativ neuen Kunstrasenplatz, der eingerahmt von den Schulgebäuden eines OSZ, errichtet in den Neunzigern im Stile der Neuen Sachlichkeit, im gleisenden Licht der Flutlichtscheinwerfer an den Appellhof der MARINES in Fort Bragg erinnernd, wurde nun um jeden Quadratzentimeter gekämpft. Man kämpfte um die Ehre der Kinder, die unter Generalverdacht gefallen waren.
Das 2:2 fiel durch eine Fehlerkette innerhalb des 2.7er-Teams, vielleicht Hacki, sicher aber Dicki und Hartmut und der unbekannte, nicht vorhandene Mittelfeldmanndecker waren beteiligt.
Der ersten Entäuschung direkt nach dem Spiel folgten realistische Einschätzungen: „Verdientes Unentschieden…“, „Früher hätten wir solche Spiele verloren!“ (Manne Z.), „Die sieben Punkte bis Weihnachten sind nach wie vor möglich!“(Hans Sch.).


Dicki 26/11/2006


Nachtrag:
Nach dem Duschen, nach abebbenden Diskussionen (Punktverlust oder Punktgewinn), ging der 4er in die Kabine von Steglitz GB. Er entschuldigte sich für sein Fehlverhalten, der 7er für seinen Fast-Faustschlag-Ausraster. Der 4er erklärte sein Foul für schlimmer, der 7er sein versuchten Schlag für noch schlimmer. Der 7er umarmte den BSC-4er, der widerrum seine marginalen Türkischkenntnisse zusammenkramte (Tamam, cok güzel). Die Ursache für die Taschenaffäre schob der 4er auf den bayrischen Platzwart. Die Steglitzer erklärten, dass tatsächlich viel gestohlen wird, und wir mit unserer Übervorsicht richtig gehandelt hätten. Der 4er sagte, dass auf dem Hubertussportplatz noch viel mehr geklaut wird, und dass das kein Steglitzer Problem wäre. Der 4er fragte, warum sie nur Elfter sind, sie könnten doch ganz oben spielen, die Steglitzer sagten, der BSC wäre die bisher stärkste Mannschaft am Immenweg gewesen. Alle waren sich einig, eine schöne Zeit miteinander gehabt zu haben. Stephan hätte sich gefreut!

2 Kommentare:

Eljay hat gesagt…

Sehr dichter und die intensive Stimmung des Abends ganz richtig wiedergebender Beitrag, Dicki.
Danke vor allem auch für den Nachtrag: so hast wenigstens Du Deinen Frieden mit dem 7er machen können. Ist mir aber irgendwie immer noch nicht nach...
Noch eins: ganz starke Mannschaftsleistung!

Hans hat gesagt…

In der Tat ein treffender Bericht zu einem denkwürdigen Spiel.

Es lief ja wirklich einiges schief.
Zunächst Umkleidekabinen, in die jeder Schlüssel passte, (weshalb wir unsere Habseligkeiten mit auf den Platz nahmen) und dann kamen statt der solariengebräunten Südberliner, auf die wir scharf waren, ganz normale, spielstarke Türken. Der Schiedsrichter, der vom Gegner gestellt wurde, hat sich meiner Meinung nach wirklich bemüht, fair zu pfeifen. Die Schwalbe von dem 7er und das dauernde Foulspiel von diesem Typen konnte er meiner Meinung nach nicht erkennen - aber ich empfand das nicht als irgendwie bebsichtigte Benachteiligung und ich glaube, ein unfairer Schiedsrichter hätte mindesens eins von unseren Toren nicht gegeben.

In der ersten Halbzeit habe ich Hacki lauthals "angefeuert" - die beiden 12jährigen Bengels sahen mich entsetzt an. "Das ist Hacki, der braucht das", sagte ich zu denen, "er ist unser Starstürmer" ergänzte Marco. - "Wir hassen ihn!", sagten die Jungs, "er hat gesagt, wir sollen von seiner Tasche weggehen. Als ob wir klauen würden. Aber das haben wir nicht nötig!". Marco und ich haben die Jungs dann noch so weit deeskaliert, dass sie Hacki angefeuert haben! (Hacki, die Rufe kamen nicht von Marco oder mir). Zur Pause haben sie dann aber doch bei ihrem Torwart-Papi gepetzt.....

Trotzdem sollten wir gegen eine Mannschaft aus dem unteren Mittelfeld gewinnen. Wir hatten auch mehr und klarere Chancen und der Elfmeter war ein Geschenk des Schiedsrichters und das zweite Gegentor war ein Geschenk von uns, während das Eigentor der Steglitzer "erzwungen" war, weil die Ecke ansonsten wahrscheinlich durch Marco oder Stephan verwandelt worden wäre. Unsere Spielweise fand ich aber diesmal nicht so gut: Wenn wir mit drei Verteidigern gegen zwei Stürmer spielen, dann laufen Mittelfeld und Angriff zwangsläufig dem Ball hinterher und ein spielstarker Gegener kann sein Spiel in Ruhe aufbauen und unsere Abwehr dann durch plötzliche Angriffe ins Schwitzen bringen. Und wenn wir aus einer verstärkten Abwehr nach vorne spielen, dann müssen wir hinten ruhiger rausspielen und für den Ballführenden immer zwei Angebote machen. Ich finde also, wir sollten offensiver spielen und in der Abwehr eins gegen eins. Wozu haben wir die besten Torhüter?

Hans