13. Oktober 2008

Plan B


Über eine halbe Stunde hatten sie noch in der Kabine über die unnötige Niederlage gegen die 2. des Nordberliner SC diskutiert, und später dann auf der Heimfahrt noch einmal mindestens genauso lange. Den Gegner unterschätzt, zu überheblich gewesen nach den letzten Siegen und dem recht guten Pokal-Spiel gegen Köpenick -so ungefähr war der Tenor gewesen, doch so richtig zufriedenstellend waren diese Erklärungen nicht. Und zwar einfach auch deshalb nicht, weil ihnen so etwas -eine Niederlage gegen einen vergleichsweise schwachen Gegner nach einer überzeugenden Partie gegen eine starke Mannschaft- einfach schon zu oft widerfahren war, ja, man so etwas eigentlich hatte kommen sehen können.
Den Fußballprofessor ließ dieses nicht einmal unverdiente 1:2 nicht schlafen. Wie konnte so etwas sein? Gegen eine solche Mannschaft, die mit einigen doch ziemlich limitierten Spielern besetzt war? Und dabei sprach das Chancenverhältnis sogar durchaus für die Heiligenseer. Hatten es die BSCler anfangs nicht sogar mehrfach selber versucht die Serie ihres Keepers ohne Gegentor zu beenden? Zugegeben, das 1:0 so unmittelbar vor der Halbzeit mit einer Kopfballbogenlampe sah arg zufällig aus, aber richtig beklagen konnte sich keiner über diesen Halbzeitstand.
Was hatten sie nur falsch gemacht? Sie hatten versucht das Spiel zu kontrollieren, hatten anfangs durchaus sicher aus der Abwehr heraus kombiniert und ohne übertriebenes Risiko eine gewisse Überlegenheit entwickelt, ohne aber zu ganz klaren Torchancen zu kommen.
Wir versuchen die Null zu halten, das Spiel zu kontrollieren und warten auf unsere Chancen. So, oder so ähnlich lautete ja ihre Erfolgs- Formel. Aber was, wenn sie in Rückstand gerieten? Nun, sie hatten sich nicht wirklich aus der Ruhe bringen lassen am Freitag -und das war auch gut so. Nur mit dem 0:2 nach einem einzigen verloren Zweikampf war die Messe dann gelesen. Es gab einfach keinen Plan B. Bzw. es wurde wie es schon so oft geworden war: ein mehr oder weniger blindes Anrennen ohne jegliche Effektivität.
Armer Fußballprofessor, armer BSC. Wenn sie nichts änderten, würde sich nie etwas ändern. Aber was? Es war mitten in der Nacht und er konnte nicht schlafen. Gerade hatte der Junge im Traum gerufen: "Mann, mach in rein!" Tja, bei den Kleinen war alles so einfach... Vor seinem inneren Auge liefen noch einmal die wichtigen Szenen des Spiels ab und der Fußballprofessor erinnerte sich, wie er Mitte der ersten Halbzeit zu sich selber gesagt hatte: "Meine Güte, die sind aber kompakt im Mittelfeld. Dieser Eindruck war verdeckt worden von ein, zwei ziemlich unbeholfenen Aktionen der gegnerischen Abwehrspieler; auch der eine oder andere Angreifer hatte allenfalls mittelmäßiges Format gezeigt.
Vielleicht lag es an der speziellen Stunde, an der Tiefe der Nacht -mit einem Male kam dem Fußballprofessor eine verwegen Idee: was, wenn die Nordberliner ihnen ja den Spiegel vorgehalten, ihnen darüberhinaus demonstriert hätten, wie Mannschaften mit beschränkten Mitteln erfolgreich Fußball spielen können? Dem Gegner sich mit allen Mitteln erwehren, knapp hinter der Grenzen des Erlaubten, aber nie wirklich unfair; vor allen Dingen aber ihm die Räume so zustellen, daß er seine Aktivitäten an die Ränder verlagern muß, dorthin, wo erst einmal keine unmittelbare Gefahr für das eigene Tor entsteht. Einerseits also den Gegner in die ungefährlichen Ecken des Spielfeldes abdrängen, weg vom eigenen Tor, andererseits Übergewicht im zentralen Bereich schaffen, genau da wo man auf Fehler warten oder diese sogar erzwingen kann.
Der Fußballprofessor rieb sich verwundert die Augen. So einfach sollte das sein? Nur so eben das Mittelfeld verstärken, von 3-2-1 auf 2-3-1 umstellen, und schon hatte es sich? Dafür brauchte man schließlich auch das Personal und eine gewisse Kombinationssicherheit... Dem Fußballprofessor entfuhr ein tiefer Seufzer. Und schon war er eingeschlafen. Endlich.

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