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Um 17:48 Uhr rief mich Andi Schinke an. Die am Trainings-Mittwoch als Besetzungs-GAU für möglicherweise möglich gehaltene Möglichkeit einer ziemlich geringen Teilnehmerzahl für das in 72 Minuten angesetzte Siebener-Spiel bei C/V war eingetreten: Sechs Akteure, das war’s dann…
Also galt es, die für diesen Fall abgegebene Zusage einzulösen. Fix die Klamotten gepackt, rauf aufs Rad, zum S-C-Platz gedüst, das Dienstauto übernommen und im Overdrive zum Stadtring gen Wedding. Um 18:46 Uhr der Anruf von Andi Henkel auf dem Mobilephone: „Wo bist Du, wann wirst Du voraussichtlich eintreffen ?“ Luke Skywalker lässt grüssen: „Bin gleiiiiich da…“ Sind ja noch komfortable 14 Minuten Zeit bis zum Kick-off.
Umziehen, einstimmen, letzte Pre-Game-Instructions von Eljay in der Kabine, während sich die anderen Fünf der Schwarz-Schwarzen bereits im imaginären Viereck den Ball hin- und herspielen. Alles und alle sehr abgeklärt und ohne erkennbare Unruhe.
Dann geht’s los. Stephan zu Eljay, der auf Hans, dieser nach aussen zu Effendi, weiter auf Schimmi.
Die Qualität des Spiels ist keine Frage der Quantität der Spieler, sonst hätte C/V mit ihrer Mega-Ersatzbank von sieben Akteuren bereits jetzt mit 8:0 führen müssen.
Sechste Minute. Tolle Szene ! Karsten wehrt einen Scharfschuss aus Nahdistanz der Weddinger so gerade eben noch mit dem Unterarm ab, der Ball springt an die Unterkante der Latte, von dort an den Innenpfosten und zu dem ins bedrohte Toreck geeilten Effendi. Dieser kann die Kugel so eben gerade noch vor dem Überschreiten der Linie retten, befördert seinerseits den Ball nochmals an den Innenpfosten, von wo aus dieser an die Latte klatscht, ehe er dann zu Hans springt und ganz cool nach aussen auf Stephan weitergespielt wird. War irgendwas ?
Drei Minuten später. Effendi, als rechter Verteidiger auf leicht ungewohnter Position eingesetzt, kann im rechten Mittelfeld einen auf den Aussen gedachten Pass abfangen. Sofort flach nach innen zu Hans gespielt. Wedding ist noch am Sich-Umorientieren von Angriff auf Abwehr. Hans spielt steil und flach auf Stephan, der blitzschnell an einem Gegenspieler vorbeizieht und an einem weiteren vorbei dann trocken und hart aus 14 Metern Torentfernung abzieht. Aus halblinker Position pfeffert er den Ball sensationell ins Tor der Gastgeber. 1:0, geil !
C/V ist sichtlich beeindruckt, wechselt alle zwei Minuten durch, panta rhei…
Immer wieder aufopferungsvolle last-Minute-Savings von Eljay und Schimmi; man kann noch nicht mal sagen, dass der BSC wankt. Das Gefüge stimmt, Eljay gibt laufend knappe, terminierte und präzise Anweisungen an seine Mitstreiter aus, die diese sich umzusetzen bemühen.
Aber C/V ist beileibe nicht ungefährlich, Karsten muss einige Male klärend eingreifen und tut dies mit gebotener Entschlossenheit.
In den Spielaufbau des BSC schleichen sich einige Ungenauigkeiten ein, aber trotzdem schaltet die Mannschaft nach Ballverlusten fast immer gedankenschnell auf die Defensive um.
Vorne steht Karsten, manchmal ein wenig verlassen, allein auf weiter Flur; immer jedoch Gegenspieler beschäftigend.
Einziges Manko bis dato im BSC-Team: Bei Torabstössen ist Karsten mehr als sonst angewiesen auf lang nach vorn geschlagene Bälle, da C/V bis zur Mittellinie ihre Gegenspieler recht gut abdeckt und so kurze Torabstösse ein gewisses Risiko in sich bergen würden.
Minute 17: Der längste und technisch versierteste der Weddinger führt den Ball in der eigenen Hälfte, schaut nach links und rechts, geht dann noch ein wenig weiter vor bis kurz vor den Anstosspunkt. Keiner bietet sich zum Abspiel an, alle sind markiert. Also zieht der Vinetaner ab, gewiss so um die 30 Meter Torentfernung. Seine Schusstechnik hatte man während des bisherigen Spielverlaufs schon zuvor einige Male erleben dürfen, man kann sie getrost als kaum verbesserungsfähig bezeichnen. Und so flitzt die Kugel im Tiefflug mit unglaublich hohem Tempo durch Freund und Feind hindurch in Richtung Tor, in welchem sie dann auch tatsächlich eine Sekunde später im äussersten Toreck einschlägt. Müssige Gedanken, ob solch ein Fernschuss im Kleinfeld haltbar gewesen wäre. War schon ein sensationelles Tor, bei welchem Karsten anscheinend etwas die Anfangs-Sicht verdeckt war.
Bis zur Halbzeit dann ein wechselhaftes, von Lauffreudigkeit und Einsatzbereitschaft geprägtes Spiel, in welchem sich die C/Ver immer mehr fragen, wann denn nun endlich die personelle Unterlegenheit des BSC ihre Konsequenzen finden würde. Sie wechselten weiterhin bei annähernd jeder zweiten Spielunterbrechung durch, was bisweilen den Spielfluss nicht unwesentlich hemmte.
In der Halbzeit dann eine alles andere als erfreuliche Nachricht: Hans hat sich derart verletzt, dass er nunmehr aller Voraussicht nach nicht mehr in gewohnter Manier rennen und vor allem abrupte Richtungswechsel mitmachen kann. Muss trotzdem irgendwie gehen, wird irgendwie gehen…
Abschnitt zwei. Keine drei Minuten alt, nächstes Highlight der Partie: Eljay führt in Höhe der Mittellinie einen Meter von der Seitenauslinie entfernt den Ball, wird angegriffen. Niemand bietet sich so richtig zum Abspiel an, also versucht er’s alleine. Lupft den Ball mit rechts über den ausgefahrenen Fuss seines Kontrahenten hinweg, bottet sofort hinterher. Sein Gegenspieler hinterher, treibt ihn bis kurz vor die Grundlinie. Andreas guckt kurz hoch und in den Strafraum. Sieht, dass Stephan als einziger der Schwarzen mitläuft und zieht den Ball ziemlich straight in die Höhe des langen Pfostens. Keeper und Verteidiger wissen für eine halbe Sekunde lang nicht, was sie machen sollen. Diese halbe Sekunde reicht Stephan, um sich wie ein Lachs in der Luft zu drehen und den Ball per Seitfallzieher volley im ungedeckten Toreck zu versenken. Zehn Abgänge !! Was für ein Tor, was für eine Vorbereitung !!!
Vineta marschiert, versucht’s aber immer wieder zu sehr durch die Mitte mit steilen Anspielen auf ihre drei Stürmer. Mit Geschick und auch etwas Glück halten wir das knappe 2:1.
Nun eine neue, bisher noch nie gesehene taktische Variante der Gastgeber: Ballführung im Mittelfeld, und urplötzlich ein scharfer Ball auf den Schiri, der diesen umgehend durch einen gezielten Kopftreffer ins Land der Träume befördert. Minutenlang bleibt die Nummer 15 am Boden liegen, und man spekuliert schon allenthalben über Abbruch, Neuansetzung oder was auch immer. Letztendlich rappelt sich der Schiri dann doch noch auf und erklärt sich zu unserer Erleichterung zur Fortsetzung der Leitung des Spiels in der Lage.
Eine erneute steile Hereingabe auf den Halbrechten von C/V. Der rennt in Richtung Tor, abgedeckt von Effendi. Genau dort, wo der Ball in eine spielbare Höhe herunterkommt, treffen er, Karsten und Effendi zusammen und finden sich in trauter Dreitracht am Boden liegend wieder, wobei Mister Corso unseren Karsten nicht eben zärtlich in Richtung des Torpfostens gedrückt hatte. Der Schiri pfeift auch sogleich, aber zu unserem Entsetzen und zum Erstaunen der Weddinger nicht etwa Freistoss für Karsten, sondern Neunmeter gegen uns. Alle Bitten um Erklärungsversuche oder entsprechende (moderat vorgetragene) Kommentare unsererseits werden reaktionslos ignoriert. Dabei waren wir doch so nahe dran zu gewinnen !
Aber noch ist das Ding ja nicht drin. Karsten lauert, macht sich sprungbereit. Der Schütze jedoch lässt ihm nicht den Hauch einer Abwehrchance. Glashart haut er den Ball flach unten rein, 2:2. Und noch acht Minuten zu spielen.
Corso drängt mit Macht auf den vermeintlichen Siegtreffer. Dass dieser zunächst nicht fällt, ist unserer gesamten Mannschaft zu verdanken, in der jeder für jeden kämpft und ackert, und wenn doch mal ein Schuss durchkommt, kann Karsten jedesmal abwehren, manchmal mit wirklich allerletztem Einsatz und Geschick.
Vier Minuten vor Schluss dann ein Getümmel im linken Mittelfeld. Irgendwie kommt eine halbhohe Hereingabe vor das Tor der Gastgeber. Effendi riecht das förmlich und spiked dorthin, wo der Ball runterkommt. Just in dem Moment, wo er die Kugel treffen will, wird stattdessen er selber getroffen, und zwar von einem der beiden sich ihm in den Weg stellenden Gegenspieler am rechten Knöchel.
Ein brennender Schmerz durchfährt seine gestählten Sehnen, und wohl nur seiner aussergewöhnlich exzellenten körperlichen Grundverfassung ist es zu verdanken, dass hier nicht aus einem kompletten Knöchel mehrere unkomplette werden. Noch beim Abfassen dieses besonders in diesem Teil absolut wahrheitsgetreuen Berichts kann er sein Glück kaum fassen, weitestgehend ohne voraussichtliche körperliche Spätfolgen aus dieser brutalen Attacke davongekommen zu sein.
Der sofortige Pfiff des Schiris war die sofortige Reaktion auf diese versuchte schwere Körperverletzung. Völlig unverständlicherweise gab einer der Weddinger dem am Boden liegenden Getroffenen noch den Tipp, er könne jetzt wieder aufstehen, der Schiri habe Neunmeter gepfiffen.
Leider gibt es ja nun diese bekannte Fussballerweisheit von wegen dem Gefoulten und so… Und so legte sich der zuvor bereits zweimal torerfolgreiche Stephan den Ball zur Exekution auf den Punkt, nicht jedoch, ohne sich zuvor noch einmal über die noch zu spielende Restzeit zu informieren. Und wieder einmal zeigte sich die Dominanz des Geistes über die Emotion. Statt den Pfiff des Schiris zur Ausführung des Strafstosses abzuwarten, zimmerte Stephan den Ball pfiffig und pfifflos auf das Tor der Gastgeber, extrem schlauerweise so, dass der Keeper den Ball abwehren und um den Pfosten drehen konnte.
Natürlich wusste Stephan zu jeder Zeit, dass Zeit für uns gerade jetzt ein nicht ganz unwichtiger Faktor im Spiel war und dass der Schiri solcherlei Regelwidrigkeiten nicht würde durchgehen lassen. Und so geschah es natürlich auch.
Der Schiri verwahrte sich gegen die Ausführung des Penaltys ohne akustische Aufforderung hierzu, der Ball musste geholt und erneut auf die ominöse Marke positioniert werden. Zeit, wertvolle Zeit, für die Weddinger wertvolle Zeit, sie verrann…
Und da Stephan innerlich noch mit den Folgen eines Mini-Lachkrampfes infolge seines gelungenen Manövers zu kämpfen hatte, überliess er zur Wiederholung des Strafstosses den Ball grossmütig seinem Freund Eljay, der diesen dann absolut unhaltbar scharf und flach rechts unten in die Maschen nagelte.
Die letzten dreieinhalb Minuten des Spiels hatten’s dann erwartungsgemäss noch einmal in sich. C/V warf alles nach vorne, wir kämpften mit allem gegen die Bemühungen um den Ausgleich an.
Kurz vor Schluss ein schöner Steilpass auf Karsten, der sich gegen den einzig noch verbliebenen Abwehrspieler durchsetzte und alleine zum 4:2 aufschlagen konnte. Es gelang leider nicht, obwohl jeder von uns ihm einen Treffer von Herzen gegönnt hätte.
Nun denn, 3:2 ist auch gewonnen. Insgesamt - das sollte fairerweise nicht verschwiegen werden - vielleicht ein ganz klein wenig glücklich, aber ganz gewiss nicht unverdient, hauptsächlich wohl wegen einer insgesamt als gelungen zu bezeichnenden Mannschaftsleistung (Vier von Sieben übrigens Ü50...) und den in dem Bericht erwähnten aus dieser herausragenden Einzelleistungen.
Corso/Vineta erwies sich im übrigen als ein äusserst fairer Gegner, der in Person aller seiner Spieler sofort nach Beendigung des Spiel zu uns kam und uns per Handschlag zu unserem Sieg gratulierte, obwohl sie möglicherweise nach den Vorzeichen des Spiels mit einem für sie günstigeren Ergebnis gerechnet haben dürften.
3 Kommentare:
Brillanter Spielbericht, mein Lieber. Alles richtig gesehen, alles richtig gemacht. Und hat dieses denkwürdige Spiel wieder ins rechte Licht gerückt, aus dem es nach dem bedauerlichen 11er Spiel einen Tag später an gleicher Stelle schon verschwunden war. Dabei haben wir auch da eine Halbzeit mit hoher Konzentration mehr als gut mitgespielt und sind ziemlich unglücklich auf die Verliererstrasse geraten. (Aber über die zweite Halbzeit schweigen wir wohl lieber...)
Andererseits muß man aber auch sagen, so einen Glückstag wie beim 7er-Spiel erlebt man wirklich nicht allzu oft. Ich will hier nicht die Verdienste der Beteiligten schmälern, aber ein Tor wie das zum 2:1, das können wir eigentlich nicht. Und wer so ein Tor schießt, der verliert das Spiel nicht. Dafür gibt es schließlich den Fußballgott.
EFFENDI - HERO, auf dem Rasenviereck und an der Tastatur !!! !!!
Könntest Du die Szene aus der 6. Minute noch mal als Video einstellen? (Zur Erinnerung: "Karsten wehrt einen Scharfschuss aus Nahdistanz der Weddinger ab, der Ball springt an die Unterkante der Latte, von dort an den Innenpfosten und zu dem ins bedrohte Toreck geeilten Effendi. Dieser kann die Kugel so eben noch vor dem Überschreiten der Linie retten, befördert seinerseits den Ball nochmals an den Innenpfosten, von wo aus dieser an die Latte klatscht, ehe er dann zu Hans springt und ganz cool auf Stephan weitergespielt wird.")
Uuuuuh! Nach dem Lesen dieses unter die Haut gehenden Berichtes musste ich erst mal duschen gehen.
So sehr hatte er mich mitgenommen. Insbesondere die von Axel schon bemühte "Flipper-Szene" hatte mich geschafft.
Anschaulicher kann man kaum noch ein Spiel schildern. Glückwunsch allen Beteiligten!
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