7. November 2010

Voodoo im Grunewald - Der 9:3 Sieg

Es war das Spiele der Spiele, Tabellenletzter gegen Tabellenvorletzter, ein Duell um Ehre, Prestige und Vorherrschaft in einem umkämpften Tabellenbereich. Es war das Spiel BSC 2. Alt Ü 40 gegen Arminia Heiligensee. Peter Richter, der Teammanager, wusste, dass hier eine normale Spielvorbereitung nichts nützte. Namen sammeln, ein paar kämpferische Worte in der Kabine, das war diesmal zu wenig. Hier musste man zu ganz anderen Mitteln greifen. Und er wusste auch schon wie. Im Kulturkaufhaus Dussmann war er auf das Buch „Voodoo im Strafraum – Fußball und Magie in Afrika“ von Oliver G. Becker gestoßen. Peter las es zunehmend faszinierter.
Er hatte nun seine Mittel.
Als erstes, das hatte er gelernt, musste er die Kabine des Gegners verhexen. Weil aber die Bedingungen in Afrika ein wenig anders sind als in Berlin, gestattete er sich kleinere Änderungen bei der vorgeschriebenen Zeremonie. Eigentlich hätte er sechs Stunden vor Anpfiff in der Kabine des Gegners den abgeschnittenen Kopf eines Huhns aufhängen und gestoßenes Antilopenhorn durch die Luft pusten müssen. Alles unter gemurmelten Zaubersprüchen. Peter legte aber nur das gegrillte halbe Hähnchen, das er an einem Imbissbude gekauft hatte, auf eine Bank, in der Packung versteht sich, und pustete eine Handvoll Mehl in die Kabine. Dazu murmelte er Wortbrocken, die ihm gerade einfielen.
Aber der entscheidende Moment, das hatte er von seinen afrikanischen Kumpels gelernt, ist das Eintreffen der eigenen Mannschaft. Jeder Spieler hatte einen genauen Ablaufplan erhalten und wusste, was er zu tun hatte. Das Ritual muss peinlich genau befolgt werden, sonst verliert der Voodoo seine Zauberkraft. Schlimmer noch: Es kann sein, dass der Gegner sogar gestärkt wird. Es war 13.50 Uhr, als sich Peter auf dem Gang neben der Kabinentür aufstellte. Er hielt einen Ball in Schulterhöhe, und jeder, der die Kabine betreten wollte, musste den Ball konzentriert anblicken und dann markig verkünden: „Bu Bu Bu – ich sag huhu, was sagst du?“. Micha Schmidt, Klaus Schmid, Albert, Frank B., Stefan, Volkmar, Carsten Duckwitz, Olaf, der Hamburger Frank, Rene, Hansi, sie alle sagten die Zauberformel mit großer Inbrunst auf. Das Problem begann, als Ebi auftauchte. Ebi hatte die ganze Zauberei „als Schamanen-Schwachsinn“ abgetan; als Gewerkschafter hatte er gelernt, dass die Macht des Stärkeren nur mit harten körperlichen und geistigen Argumenten zu brechen war. Außerdem war er sowieso nur als Zuschauer gekommen.

„Bu Bu Bu – nieder mit der CDU“, trompetete Ebi.

Peter erbleichte. Dann brüllte er zornig: „Du zerstörst die ganze Zauberkraft. Jede Störung der Zeremonie bricht die Macht der heiligen Götter. Ebi, Du Döskopp, Du hast alles kaputt gemacht.“ Am liebsten hätte er ihm eine Tüte Mehl über den Kopf geschüttet. Aber Ebi war längst in die Kabine geschaukelt. Dort begann das zweite Teil des Rituals, Peter konnte nur hoffen, dass die Geister nicht zornig waren. Die ganze Mannschaft hüpfte auf einem Bein in einem Kreis durch die Kabine, dazwischen kniete Peter in einem bodenlangen Schafswollmantel und mit einer Halloween-Maske verkleidet. Sein Blick richtete sich zur Kabinendecke, in auf- und abschwellendem Singsang stieß er Sätze in einer Kunstsprache hervor. Nur Hansi war von der Hüpferei befreit. Er durfte sich eincremen, musste dabei aber unablässig das „Vater unser“ herunterbeten. Zwei kleinere Zwischenfälle unterbrachen das Ritual. Volker Dubiel brach ab, weil er angeblich einen Krampf spürte, und Hansi musste auf die Toilette. Durch einen Spalt der geöffneten Tür flitzte Cookie, der kleine Hund von Carsten Duckwitz, und biss Klaus Schmid in die Wade. „Mistköter“ brüllte Klaus. Peter verzauberte Cookie sofort in einen Drogen-Spürhund.

Auf dem Weg zum Platz spürte Peter allerdings, dass seine Zweifel berechtigt war. Die Mannschaft war noch nicht in dem Trancezustand, in dem sie hätte sein sollen. Keine Frage, Ebi hatte mit seinem Ritualbruch die ganze Mission gefährdet. Und nur der Urheber der Probleme, das hatte Peter auch gelernt, konnte wieder alles retten. Also instruierte er an der Seitenlinie Ebi eindringlich. Ebi nickte widerwillig.

Das Spiel, die 12. Minute. Der BSC steht ziemlich defensiv, Heiligensee trägt einige Angriffe vor, die noch nicht gefährlich sind, aber doch zeigen, dass der BSC mehr tun muss. Ebi schweigt beharrlich. Es gibt Grenzen der Selbstachtung für ihn.

Die 25. Minute. Der BSC macht noch nicht viel Druck, Heiligensee hat zwei technisch starke Spieler, die vieles dominieren. Ebi erkennt, dass er eingreifen muss.

26. Minute: Ebi brummt: „Bu Bu Bu – ich lieb Dich, CDU.“
Prompt geht ein Ruck durch die Mannschaft. Auf der linken Seite leitet Carsten Duckwitz einen Angriff ein, passt den Ball in die Mitte, dort erzielt Hamburg-Frank mit schöner Einzelleistung das 1:0.

35. Minute: Volker Dubiel muss verletzt vom Platz, Manni kommt.

36. Minute. Ebi brummt: „Bu Bu Bu – ich wähl die CDU.“
Auf dem Platz rückt Olaf aus dem Mittelfeld in die Sturmspitze nach und erzielt das 2:0. Ebi nickt zufrieden, ein Hauch von Stolz steigt in ihm auf.

40. Minute. Ebi mummelt: „Bu Bu Bu - der Kauder hat die schönsten Schuh’.“
Auf der linken Seite bricht Carsten Duckwitz wieder durch, flankt in die Mitte, dort köpft Manni auf vollem Lauf ins Netz. 3:0. „Na bitte“, denkt Peter.

Pause. Große Probleme beim BSC. Klaus Schmid muss aufhören, Stefan wollte eigentlich weg, Frank B. wollte sich aufwechseln lassen, damit er sich um seinen Sohn kümmern konnte. Aber weil wir sonst in Unterzahl gespielt hätten, müssen außer Klaus alle weiterspielen. Hansi kommt rein. Ebi ist klar, dass er jetzt nicht aufhören kann.

48. Minute: Ebi brummt: „Bu Bu Bu – mein Leben, CDU.“
Auf dem Platz schnappt sich Manni nach einem schönen Pass aus dem Mittelfeld den Ball, läuft allein auf den Torwart zu und schießt das 4:0.

55. Minute: Ebi murmelt: „Bu Bu Bu – der Röttgen ist der Clou.“
Manni läuft schon wieder einen Konter gegen die aufgerückten Heiligenseer. Kaltblütig verwandelt er. 5:0. Ebi nickte zufrieden. „Jetzt reicht’s erst mal“, murmelt er. Seine Leidensfähigkeit hat Grenzen.

59. Minute: „Bu Bu Bu – Angie Merkel, blöde Kuh“ tönte Ebi lustvoll. Ein Glückgefühl, als hätte er beim Pool-Billard eine schwierige Kugel versenkt. Auf dem Platz stürmt Heiligensee über links, der Ball rollt aber harmlos zu Peter. Der will den klitschigen Ball greifen, er gleitet ihm durch die Finger, ein Heiligenseer staubt ab. 5:1. Ebi erschrickt.

62. Minute: „Bu Bu Bu – Staatschef Wulff, das war ein großer Coup“, brummt Ebi hektisch. Auf dem Platz schnappt sich Manni wieder den Ball, nach einem schönen Pass aus dem Mittelfeld, stürmt auf den Torwart zu, 6:1. Ebi nickt, keine Spur mehr von schlechtem Gewissen. Er beschließt zu schweigen. Auf dem Platz wird Heiligensee stärker, mehrfach rettet Peter Richter mit guten Paraden.

70. Minute: Ebi brummt gedankenverloren: „Bu Bu Bu – ich hass Dich, CDU.“ Freistoß für Heiligensee. Die Mauer des BSC formiert sich zu langsam, ein platzierter Flachschuss, 6:2. Ebi wird aus seinen Gedanken gerissen.

72. Minute: „Bu Bu Bu – Künast kommt, SPD, was sagste nu?“, brummt Ebi. Schöner Pass aus dem Mittelfeld, Manni stürmt, der Torwart wehrt ab, der Ball kommt zu Hansi, 7:2.

75. Minute: Ein atemberaubender Kantersieg winkt, eine Botschaft an die ganze Berliner Fußballwelt. Ebi fühlt sich als Teil von Historie. „Bu Bu Bu – ich küss Dich, CDU“, murmelt er. Pass aus dem Mittelfeld, Manni stürmt, 8:2.

79. Minute: Ebi sieht seinen Platz in der Geschichte gesichert, er wird wieder authentisch. „Bu Bu Bu – Du nervst mich, CDU“, brummt er. Heiligensee stürmt über rechts, ein Spieler flankt, Peter Richter reagiert zu spät, Kopfball 8:3.

84. Minute. Neun, findet Ebi, neun ist eine gute Zahl. 9:3, das klingt verdammt gut. „Bu Bu Bu – „vorwärts mit der CDU“, brummt er. Aus dem Mittelfeld trägt der BSC einen Angriff vor, aus rund 20 Metern zieht Olaf ab, 9:3.

In der BSC-Kabine löst sich die ganze Spannung. Die Spieler klatschen sich ab, Peter Richter pustet eine Handvoll Mehl durch den Raum, das gehört zum Ritual. Hansi cremt sich ein, weigert sich aber, ein weiteres Mal das Vater unser“ aufzusagen. Peter lässt ihn gnädig gewähren. Der Hausmeister wird mit der Botschaft vom 9:3-Erfolg ins BSC-Casino geschickt.

Irgendwo im Kabinentrakt ertönt eine brummende Stimme: „Bu Bu Bu – ich geb’ jetzt endlich Ruh’.


Frank B.

2 Kommentare:

Pete hat gesagt…

Bu,Bu,Bu - Deinen Bericht lese ich immerzu.

ebi hat gesagt…

Die Rache meines Opportunismus folgte am nächsten Tag, danke Stuttgarter